Soziale Gruppen, Strukturen, Netzwerke
Untersuchungen zur Synthese der mittelbyzantinischen Gesellschaft (7.-11. Jh.)
Forscher: Dr. Thomas Pratsch
Das Ziel des Projekts ist – ganz allgemein – eine auf ausgewählte thematische Schwerpunkte fokussierte, sozial- und kulturhistorische Analyse der Zusammensetzung (Synthese) der Gesellschaft des Byzantinischen Reiches der mittleren Periode (7.-11. Jh.), die ganz wesentlich auf dem im Rahmen der „Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit (641–1025 u. Z.)“ (PmbZ) kompilierten Datenmaterial beruht, aber auch neuere prosopographische Erkenntnisse berücksichtigt. Der Fokus dieser Analyse liegt dabei – im speziellen – auf einer genaueren Untersuchung und Interpretation von bestimmten sozialen Gruppen und deren Strukturen, also sowohl ihrer inneren Hierarchisierung als auch ihrer sozialen Lokalisierung, sowie ihrer Netzwerke, also ihrer internen Verknüpfungen und Interaktionen, ihrer Verbindungen untereinander und in Bezug auf die Gesamtbevölkerung unter besonderer Berücksichtigung moderner sozialwissenschaftlicher Methoden. Im Hinblick auf die verschiedenen zu untersuchenden sozialen Gruppen kommen dabei unterschiedliche Theorien und Modelle der Sozialwissenschaften zur Anwendung. Im Rahmen des breiteren Forschungsfeldes der Gender Studies haben in Bezug auf Frauen und Eunuchen vor allem Fragen der Elitesoziologie eine besondere Relevanz. Es soll etwa primär gefragt werden, ob diese sozialen Gruppen eine jeweils eigene oder eine gemeinsame Elite bildeten oder lediglich Bestandteil einer gesamtgesellschaftlichen Elite waren. Fragen der sozialen Netzwerkanalyse sind hier ebenfalls von Bedeutung. Es soll in den Blick genommen werden, ob es eigene soziale Netzwerke von Frauen und Eunuchen gab, oder ob die Vertreter dieser sozialen Gruppen eher isoliert agierten. In Bezug auf Kleriker und Laien gewinnen die Fragen der sozialen Netzwerkanalyse dann eine noch größere Bedeutung. Es soll den sozialen Vernetzungen und Hierarchisierungen innerhalb dieser sozialen Gruppen nachgegangen werden und dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Netzwerke herausgearbeitet werden. Es soll auch genauer betrachtet werden, welche Beziehungen zwischen beiden Arten von Netzwerken bestehen und welche Verflechtungen zwischen bzw. Transformationen und Integrationen von beiden Netzwerken möglich sind. Bezüglich der Ethnien und Gentes, also der noch greifbaren indigenen Völkerschaften Kleinasiens, der Inseln und anderer Regionen des Reiches, kommen insbesondere Fragestellungen der sozialen Identitätstheorie zur Anwendung. Es soll etwa untersucht werden, welche Bedeutung die ethnisch-kulturelle Identität dieser sozialen Gruppen hatte und in welchem Verhältnis sie zu postulierten übergeordneten Identitäten, etwa einer römisch-byzantinischen oder einer christlichen Identität, standen. Der Schwerpunkt Jugend und Alter eignet sich weniger für die Applikation sozialwissenschaftlicher Theorien und Modelle, erfordert dafür aber eine stärkere Einbeziehung der archäologischen Forschung und ihrer Ergebnisse insbesondere der Gräberarchäologie und der Altersbestimmung bei Skelettuntersuchungen und ermöglicht dann einen Abgleich dieser Befunde aus den untersuchten byzantinischen Nekropolen mit den Informationen der historischen Quellen, um zu präziseren und besser begründeten Aussagen über die Lebenserwartung der Byzantiner oder bestimmter sozialer Gruppen der byzantinischen Bevölkerung und über die gesamte Altersstruktur der byzantinischen Gesellschaft zu gelangen. Es handelt sich bei dem Projekt mithin um eine fokussierte und schwerpunktorientierte sozial- und kulturhistorische Analyse auf der Grundlage quantitativer und qualitativer Relationen bestimmter ausgewählter sozialer Gruppen der byzantinischen Gesellschaft der mittelbyzantinischen Zeit.
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