Forschungsprojekt

Aufstieg und Niedergang des Christentums in Südjordanien. Eine Fallstudie zum religiösen Wandel in der Spätantike vom 4. bis zum 9. Jahrhundert
Dr. Robert Schick

Für etwa sechs Jahrhunderte, vom 4. bis zum 9. Jh., war die Bevölkerung des südlichen Teils des heutigen Jordaniens weitgehend christlich. Die ersten Christen lassen sich ab dem späten 3./ frühen 4. Jh. nachweisen. Im Laufe des 4. und 5. Jhs. nahm ihre Zahl zu und erreichte ihren Höhepunkt im 6. Jh. als die Christen die Mehrheit der Bevölkerung bildeten. Auch nach den muslimischen Eroberungen in den 630er Jahren bestanden die christlichen Gemeinschaften noch für einige Generationen fort, bis sie schließlich im 9. Jh. kaum noch nachweisbar sind. Dieser Aufstieg und Niedergang des Christentums in Südjordanien stellt ein bemerkenswertes Fallbeispiel für einen mehrmaligen Wechsels der religiösen Zugehörigkeit der Bevölkerung in einem konkreten geographischen Raum dar.
Das Ziel des Projekts besteht darin, aufgrund von historischen Primärquellen und den Ergebnissen der archäologischen Erforschung von Ortslagen mit frühchristlichen Überresten, die Geschichte des Christentums in Südjordanien im fraglichen Zeitraum nachzuzeichnen, soweit es die Quellenlage zulässt. Auf der Grundlage der dabei erarbeiteten Ergebnisse und durch einen Vergleich mit anderen Regionen soll dann die Eigenheit der Entwicklung in Südjordanien herausgearbeitet und nach den Gründen für das weitgehende Verschwinden des dortigen Christentums gefragt werden.
Die dafür heranzuziehenden historischen Quellen umfassen kirchliche Dokumente, Schriften von byzantinischen Historikern und eine Sammlung von Verwaltungsdokumenten auf Papyrus. Darüber hinaus können etwa hundert archäologische Ortslagen mit Belegen für eine christliche Präsenz erforscht werden, um Informationen über ihre Siedlungsgeschichte zu erlangen. Hierfür ist die Erstellung eines Korpus der archäologischen Ortslagen mit frühchristlichen Befunden geplant.
Die Ergebnisse des Projektes sollen in Form einer Monographie präsentiert werden, in der zunächst die christliche Präsenz in Südjordanien chronologisch von den Anfängen im ausgehenden 3./beginnenden 4. Jh. bis zum 9. Jh. darzustellen wäre. Andere Kapitel werden speziellen Fragestellungen gewidmet sein: zu nennen wären die Rolle von Nicht-Christen in der Region, ihre Bekehrung zum Christentum bzw. die Beibehaltung ihrer eigenen Religion; die Frage, wie schnell und umfassend die Region christianisiert wurde; der Anteil von Christen in den Städten oder auf dem Land; die Präsenz orthodoxer oder heterodoxer Christen (chalkedonensischer und miaphysitischer Christen); oder wie die Bevölkerung aufgrund von Bekehrung und Ein- und Auswanderung schließlich muslimisch wurde. Ein Vergleich mit der Entwicklung in anderen Regionen sowie der Korpus von Ortslagen sollen den Abschluss der geplanten Monographie bilden. Es ist zudem beabsichtigt, die Ergebnisse in eine GIS-Datenbank und in eine Karte des byzantinischen Reiches zu integrieren, die im Rahmen des WissenschaftsCampus Mainz - Byzanz zwischen Orient und Okzident erstellt werden.

Förderung der DFG